Zielgruppen für Leichte Sprache

Leichter Sprache ist mittlerweile in aller Munde. Fast jeder hat schon davon gehört; viele wundern sich, was es damit auf sich hat und wem sie nützt. Vor einiger Zeit habe ich schon darüber geschrieben, warum Leichte Sprache wichtig ist. Heute widmen wir uns der Frage: Wie sehen die Zielgruppen für Leichte Sprache aus?

Menschen mit Lernschwierigkeiten

Der ursprüngliche Adressatenkreis für Leichte Sprache waren Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Entstanden ist diese Zielgruppe aus der Selbstbestimmungsbewegung, die in den sechziger Jahren in Schweden aufkam. Damals entschieden Menschen mit Behinderungen, dass sie keine Fürsprecher mehr haben wollten. Sie wollten sich lieber selber vertreten. Die Bewegung fand in vielen Ländern Zuspruch. In den siebziger Jahren entstand in den USA daraus der Verein „People First“. Die Begriffe „geistige Behinderung“ oder „Lernbehinderung“ lehnen die Mitglieder übrigens als diskriminierend ab. Stattdessen nennen sie sich selber „Menschen mit Lernschwierigkeiten“. Die Zahl dieser Menschen in Deutschland wird auf etwa 200.000 geschätzt.

Die Forschungsstelle der Uni Hildesheim erforscht die Leichte Sprache seit 2014 und hat diesen Personenkreis sinnvollerweise um andere Zielgruppen für Leichte Sprache erweitert:

Analphabeten und Menschen mit fehlerhafter Rechtschreibung

Da sind zum einen die funktionalen Analphabeten. In Deutschland gibt es ca. 6,2 Millionen Menschen, die einen Satz nicht sinnentnehmend lesen können.

Weitere 10,6 Millionen Erwachsene haben eine sehr fehlerhafte Rechtschreibung, die nicht einmal das Grundschulniveau erreicht.

Menschen mit anderer Herkunftssprache

Eine andere wichtige Zielgruppe sind die Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Von diesen gibt es mehr als 10 Millionen in Deutschland.

Menschen mit physischen Erkrankungen

Und eine weitere wichtige, wenn auch kleinere Gruppe, sind Menschen mit einer prälingualen Hörschädigung. Diese Menschen kommen meist bereits taub auf die Welt oder verlieren ihr Gehör, bevor sie die Laut- und Schriftsprache erlernen konnten. Diese Menschen haben nachweislich große Probleme mit dem Erwerb von Sprache. Von dieser Gruppe gibt es in Deutschland rund 80.000.

Dann haben wir noch Menschen mit Erkrankungen oder Einschränkungen wie Demenz (1,6 Mio), Legasthenie (3 Mio) oder Aphasie (100.000). Sie alle haben Probleme mit der Sprache. Aphasie ist eine Sprachstörung, die im zentralen Nervensystem entsteht. Betroffene haben oft nicht nur Probleme mit der Satzbildung oder mit Sprachlauten, sondern auch mit der Bedeutung von Worten. Insgesamt sind das weitere 4,7 Millionen in Deutschland.

Leichte Sprache als Brückenbauer für mehr Teilhabe

Wenn wir die Zahlen aufaddieren, entsteht eine erstaunlich große Gruppe von Menschen, die aufgrund ihrer individuellen Situation Schwierigkeiten mit der deutschen Standardsprache haben. Und die deswegen in mehr oder minder großem Umfang an gesellschaftlicher Teilhabe gehindert werden. Sie alle sind Individuen mit eigenen Träumen, Ambitionen und mit einer ganz individuellen Lebensgeschichte. Und sie alle können von Leichter Sprache profitieren.

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