Gendern in Leichter Sprache

Gendern: Für viele Menschen ohnehin schon ein Reizwort. Aber was ist mit Leichter Sprache? Wie geht Gendern in Leichter Sprache? Und: Geht das überhaupt? Auf welchen gemeinsamen Nenner lassen sich Gendern und Leichte Sprache bringen? Und wie gut harmonieren die beiden Konzepte?

Die Gemeinsamkeiten

Gendern und Leichte Sprache haben dieselben Ziele: Sie möchten niemanden ausgrenzen; sie feiern Vielfalt und Diversität und nehmen sie als selbstverständlich wahr, ohne sie zu bewerten. Beide wollen Diskriminierung und Ungleichheit abbauen. Gendern bezieht sich dabei nicht nur auf die Vielfalt der biologischen Geschlechter, sondern berücksichtigt auch soziale und kulturelle Dimensionen. Leichte Sprache hingegen hat die Menschen im Fokus, die aufgrund diverser körperlicher, mentaler oder kognitiver Einschränkungen möglicherweise nicht ausreichend an der Gesellschaft teilhaben können.

Es geht es also insgesamt nicht nur um die Anerkennung von Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Identitäten, sondern auch um die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen und schreiben. Gendern und Leichte Sprache lassen sich von ihrem Prinzip her also sehr gut miteinander vereinbaren. Aber:

Die Schwierigkeiten

In der praktischen Umsetzung führt dies zu Problemen. Gendern in Leichter Sprache ist nämlich eine riesengroße Herausforderung. Das will ich gerne erläutern:

Die Bedeutung von Gleichberechtigung und Inklusion hat in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das mit dem Begriff Awareness umschriebene Bewusstsein dafür, dass Anderssein nicht gleich zu Abwertung, Ablehnung und Ausgrenzung führen darf, setzt sich glücklicherweise immer weiter durch. Und so sehen wir schon seit Jahren große Bemühungen, die neu gefeierte Diversität und Vielfalt in der deutschen Sprache abzubilden. Das ist ein hehres Ziel, aber in der praktischen Umsetzung nach wie vor schwierig. Vieles wurde vorgeschlagen, einiges wird praktiziert, aber nur wenige bis gar keine Vorschläge bilden erfolgreich das ab, was Diversität ausmacht UND gleichzeitig mit unseren grammatischen und orthografischen Regeln der deutschen Sprache vereinbar ist.

Herausgekommen sind Sonderzeichen wie Gendersternchen, Doppelpunkt, Doppelnennungen (männliche und weibliche Form), das Binnen-I mitten im Wort oder auch die wahllose Verwendung männlicher und weiblicher Formen im Text und einiges mehr. Die meisten dieser Varianten sind jedoch, strikt ausgelegt, nicht mit unseren orthografischen Regeln vereinbar. Und hier knüpft die Leichte Sprache mit ihren Besonderheiten an das Problem an:

Besonderheiten der Leichten Sprache

Eine der wichtigsten Regeln in der Leichten Sprache ist die Vermeidung komplizierter Wörter. Sonderzeichen werden gar nicht akzeptiert. Bei den Satzzeichen findet nicht einmal das Ausrufezeichen Verwendung. Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht besser verstehen, warum zum Beispiel das Gendersternchen nicht ohne Weiteres in die Leichte Sprache integriert werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass Sonderzeichen und Doppelpunkte unter Umständen zu Schwierigkeiten führen können, wenn Menschen sich den Text am Bildschirm vorlesen lassen. Nicht jeder Screen-Reader kann die Aussprache richtig wiedergeben. Mit der Verwendung von Sonderzeichen in Leichter Sprache grenzen wir also schon wieder einen Teil der Menschen aus, nämlich diejenigen, die gar nicht lesen können oder vielleicht Sehschwierigkeiten haben.

Auch Substantivierungen wie Studierende oder Lehrende sind keine Alternative, denn sie sind für die Leichte Sprache schlicht zu schwer. Die Endung -ende könnte überdies als “das Ende” missverstanden werden. Und grammatikalisch korrekt sind sie auch nicht, denn bei dem Studierenden handelt es sich um Partizip I, das immer im Präsens steht. Ein Studierender ist also streng genommen jemand, der gerade im Moment studiert. Aber das möchte ich hier gar nicht weiter ausführen. Zurück zum Thema: Wie geht Gendern in Leichter Sprache?

Die Lösung

Momentan gibt es tatsächlich zwei Modelle, die besonders gut funktionieren. Zum einen können wir neutrale Begriffe wie Belegschaft bzw. Team statt Mitarbeiter, oder Fachkraft statt Raumpflegerin verwenden. Zum anderen funktioniert aber auch die Nennung der beiden am häufigsten vorkommenden Geschlechter: Erzieher und Erzieherinnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die gerade kürzlich von capito in Österreich veröffentlicht wurde. Von allen gängigen Varianten waren diese beiden am besten verständlich.

Grundsätzlich aber gilt: Wo immer möglich, sollten wir das Gendern in Leichter Sprache vermeiden und neutrale Begriffe verwenden. Mit Leichter Sprache wollen wir alle Menschen ansprechen; und Leichte Sprache darf durch die Genderdebatte nicht den Stellenwert verlieren, den sie für Menschen mit geringer Lesekompetenz hat: Leichte Sprache ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf dem wir alle uns verständigen können, über den alle Menschen mit anderen kommunizieren und sich informieren können. Setzen wir dies nicht aufs Spiel, indem wir durch Genderkonstrukte künstliche Hürden schaffen.

Das soll nicht heißen, dass ich gegen das Gendern bin; ganz und gar nicht. Aber Gendern in Leichter Sprache sollte wirklich nur dort angewendet werden, wo es sinnvoll ist und zum Textinhalt beiträgt. Nicht jeder Text in Leichter Sprache muss gegendert sein.

Dennoch gilt, dass wir weiterhin gründlich und sorgfältig an unserer Sprache arbeiten müssen. Denn es ist nun mal so, dass wir über Sprache in der Lage sind, Menschen auszugrenzen und zu bewerten. Im Sinne der Gender-Fairness wird dann schon mal, wie eben angedeutet, wahlweise die männliche oder weibliche Form verwendet und mündet dann in den Ausdruck ‘Ärzte und Krankenschwestern’, was ja nichts weiter ist als die Darstellung der hinlänglich bekannten, aber genauso veralteten patriarchalischen Hierarchie: Der Mann ist wichtig, die Frau dient. Schreiben wir also demnächst doch lieber ”Ärztin und Krankenpfleger’. Das ist gerechter. Aber das ist dann wieder ein ganz anderes Thema. Vielleicht eins für den nächsten Blogbeitrag.

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