Heute möchte ich mein neuestes Angebot vorstellen. Es liegt mir sehr am Herzen und ich hoffe, weitere Multiplikatoren zu finden, die es aufgreifen. Es geht um die Lesestunde in Leichter Sprache. Zur Zielgruppe der Leichten Sprache gehören nicht nur Menschen mit Einschränkungen, sondern auch Menschen, die Deutsch lernen. Um die geht es hier.
Es ist ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen, die Deutsch lernen mit dem Ziel, diese Menschen zu befähigen, zu ermutigen und zu ermächtigen, Deutsch zu sprechen. Ich habe die Hoffnung, dass diese Menschen sich dann eher trauen, Kontakte zu anderen Menschen in der Stadt zu knüpfen und hier gut anzukommen.
Ankunft in Deutschland
Als ehrenamtliche Mitarbeiterin in unserem tollen Interkult, einer Begegnungsstätte für alle Menschen unserer Stadt, habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten neu ankommenden Menschen zügig in Deutschkurse vermittelt werden. Viele schaffen das Niveau A1 bis B1 oder sogar B2, scheitern dann aber spätestens an C1 und finden keine weiteren Angebote mehr.
Ich erlebe Frustration auf beiden Seiten: bei denen, die Deutsch lernen wollen und denen, die Angebote bereitstellen. Die anfängliche Motivation, Deutsch zu lernen und sich zu integrieren, schwindet so langsam.
Integration ist schwer
In vielen Gesprächen höre ich immer wieder: „Abseits von Ämtern und Behörden habe ich noch nie mit einer deutschen Person gesprochen.“ Menschen mit Einwanderungserfahrung sind oft interessiert, in Kontakt zu kommen, merken aber, dass das gelernte Deutsch nicht für ein Gespräch ausreicht. Manche haben Probleme mit der Aussprache und werden nicht verstanden. Andere tun sich schwer, Deutsch zu lesen. Und wiederum andere trauen sich gar nicht erst, ein paar Sätze auf Deutsch zu sagen. Das muss sehr frustrierend sein. Es ist gut vorstellbar, dass es nicht leicht ist, aus dieser Situation alleine herauszufinden. Und es ist vorstellbar, dass viele resignieren.
Fokus auf Lösungen statt auf Problemen
Wenn das Problem der mangelnden Integration nach wie vor hauptsächlich auf Sprachbarrieren beruht, warum tun wir nichts, um diese Barrieren weiter zu beseitigen? Warum wird auf den Niveaus A1 bis C2 beharrt ohne zu sehen, was die Menschen eigentlich brauchen? Warum ist es so schwer, eine zwanglose Konversation zwischen Deutschen und Deutschlernenden herzustellen?
Ich habe mich gefragt: Warum gibt es so wenige Angebote abseits der offiziellen Wege? Und: Was würde diesen Menschen helfen? Und so habe ich die Lesestunde ins Leben gerufen.
Die Lesestunde
Das Konzept der Lesestunde basiert auf Texten in Leichter Sprache. Leichte Sprache kommuniziert auf dem Niveau A1. Die Sätze sind kurz. In jedem Satz steckt nur eine Aussage.
Auf diesem Niveau einen Satz zu formulieren sollte einfach genug sein. Aber ich habe festgestellt, dass es sehr schwer fällt, eigene Sätze auf Deutsch zu formulieren. Auch Menschen mit gutem Deutschabschluss haben damit Probleme. Es beginnt also schon vorher: Beim Lesen. Und deshalb setze ich hier an:
In einer Kleingruppe lesen wir also Texte in Leichter Sprache. Da kann jeder mithalten, der mindestens das Niveau A1 erreicht hat. Gelesen wird reihum. Im Anschluss an den Text besprechen wir Begriffe, die schwer zu verstehen waren oder Grammatikregeln, die noch unklar sind. Im dritten Teil der Lesestunde bringe ich die Teilnehmenden dazu, selber zu reden. Und das ist der schwierigste Teil. Es braucht Geduld und Übung, bis die ersten Sätze fallen. Häufig helfe ich mit Prompts nach, das heißt, ich gebe ein Gesprächsthema vor. Oder wir machen ein Frage- und Antwortspiel zu einem Thema.
Während der gesamten Lesestunde in Leichter Sprache achte ich auf Fehler. Meist ist es so, dass jede Person ihre ganz eigenen typischen Fehler macht. Das versuche ich herauszuarbeiten und den Teilnehmer darauf hinzuweisen, damit er daran arbeiten kann, diesen Fehler wieder abzustellen. Es ist schwer, Fehler auszumerzen, die sich bereits eingebrannt haben, aber hier hilft stetige Übung.
Fazit
Die Motivation der Teilnehmer in meiner Gruppe spornt mich an, immer wieder passende Texte zu finden und Grammatikregeln immer wieder neu zu erklären.
Man muss kein Deutschlehrer sein, um eine Lesestunde abzuhalten, und man muss auch kein Linguist dafür sein. Es reicht, wenn man einfache Grammatikregeln erklären kann. Aber vor allem braucht es Geduld und Verständnis für die individuellen, schwierigen Situationen derjenigen, die Deutsch lernen.
Ich würde mich freuen, wenn andere Personen, Vereine oder Institutionen die Idee aufgreifen würden. Eine Schulung zu diesem Konzept biete ich seit Kurzem über meine Webseite an. Schauen in meinem Angebot in die Rubrik Schulungen oder schreiben Sie mir.