BITV 2.0 und BGG: Die Umsetzung der beiden Gesetze in den Bundesländern

Gerade nehme ich an einem Webinar teil, in dem es darum geht, wie Internetseiten aufgesetzt sein sollten, damit sie nicht nur für Barrierefreiheit im Allgemeinen, sondern auch für Leichte Sprache im Besonderen funktionieren. Während der Diskussion sind wir auf die interessante Frage gestoßen, wie die Gesetze zur barrierefreien Informationstechnikverordnung bzw. zur Behindertengleichstellung (BITV 2.0 und BGG) in den Bundesländern jeweils umgesetzt wurden. Es gibt nämlich keine einheitliche, bundesweite Regelung. Interessantes Recherchethema, dachte ich mir. Und habe mich in die Arbeit gestürzt. Herausgekommen sind folgende Ergebnisse ohne Gewähr auf Richtigkeit oder Vollständigkeit. Ich bin ja schließlich keine Juristin.

Erst einmal vorweg:

Die öffentlichen Stellen des Bundes unterliegen in punkto Barrierefreiheit und Behindertengleichstellung zwei Gesetzen. Diese lauten:

  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Das BGG sieht vor, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Relevant für Leichte Sprache ist § 11 (Verständlichkeit und Leichte Sprache). Demnach sollen öffentliche Stellen in einfacher und verständlicher Sprache kommunizieren. Ist dies nicht ausreichend, sollen sie auf Verlangen auch in Leichter Sprache kommunizieren. Außerdem sollen sie Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen, Leichte Sprache insgesamt stärker einsetzen und die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das Verfassen von Texten in Leichter Sprache auf- und ausbauen.
  • Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0). Die BITV 2.0 regelt die Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung aller Arten von IT-Lösungen auf Bundesebene. Für Leichte Sprache ist hier § 4 relevant. Dieser besagt, dass auf der Startseite von Online-Präsenzen öffentlicher Stellen bestimmte Informationen u. a. in Leichter Sprache bereitgestellt werden müssen. Dazu zählen Informationen zu den wesentlichen Inhalten, Hinweise, wie man auf der Webseite navigiert, was in der Erklärung zur Barrierefreiheit steht und ob es auf der Webseite weitere Informationen in Leichter Sprache gibt.

Zu diesem Thema habe ich übrigens vor einiger Zeit schon einmal einen Beitrag geschrieben (siehe hier). Wie gesagt, diese Gesetze gelten auf Bundesebene. Die einzelnen Bundesländer hingegen haben die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und die technischen Voraussetzungen für Barrierefreiheit jeweils selber geregelt. Hier die Ergebnisse pro Bundesland in alphabetischer Reihenfolge.

Die Ergebnisse der Bundesländer

  • Baden-Württemberg
    Leichte Sprache ist nicht explizit im Landesgesetz verankert worden, aber das Gesetz bezieht sich auf die BITV 2.0.
  • Bayern
    Bayern setzt die BITV 2.0 im Wortlaut um. Auch hier gibt es demnach nur die Verpflichtung, Informationen gemäß BITV 2.0 in Leichter Sprache bereitzustellen. Es gibt aber keine Verpflichtung in anderer Weise in Leichter Sprache zu kommunizieren.
  • Berlin
    Leichte Sprache ist nicht explizit verankert, aber das Landesgesetz bezieht sich auf die EU-Norm, die in Deutschland in der BITV 2.0 umgesetzt wurde. Das heißt also, dass wesentliche Informationen in Leichter Sprache auf den Online-Präsenzen bereitgestellt werden müssen. Ansonsten ist die Umsetzung von Leichter Sprache in Berlin schwammig formuliert. Seit 23.09.2022 gilt für Gebärdensprache und Leichte Sprache: Alle IT-Lösungen und elektronische unterstützte Verwaltungsabläufe müssen barrierefrei gestaltet werden, es sei denn, diese barrierefreie Gestaltung würde die öffentliche Stelle unverhältnismäßig belasten.
  • Brandenburg
    Leichte Sprache ist im Landesgesetz nicht explizit geregelt. Es wird auf die in der EU-Richtlinie 2016/2102 aufgeführten Standards verwiesen. Diese ist Grundlage für die deutsche BITV 2.0.
  • Bremen
    Bremen hat das BGG im Wortlaut übernommen. Im Hinblick auf die BITV 2.0 wird darauf verwiesen, dass in der künftigen Rechtsverordnung diese Anforderungen zu verankern sind.
  • Hamburg
    Für Hamburg gilt genau dasselbe wie für Bremen.
  • Hessen
    Die Anforderungen des BGG und der BITV 2.0 wurden beide vollständig übernommen.
  • Mecklenburg-Vorpommern
    Hier gilt dasselbe wie in Hessen.
  • Niedersachsen
    Leichte Sprache ist in der Landesverordnung nicht explizit geregelt.
  • Nordrhein-Westfalen
    Laut BGG soll Leichte Sprache vermehrt eingesetzt werden; Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das Verfassen von Texten in Leichte Sprache soll auf- und ausgebaut werden. Ansonsten wird auf die Erfüllung der EU-Richtlinie hingewiesen, d. h. dass öffentliche Stellen die Anforderungen gemäß BITV 2.0 umsetzen sollen.
  • Rheinland-Pfalz
    Die Vorgaben sind schwammig formuliert: Das fachliche Ministerium wird ermächtigt, Bestimmungen über die Standards zu Erläuterungen in Gebärdensprache und in Leichter Sprache zu erlassen, die die öffentlichen Stellen bei der barrierefreien Gestaltung der Webseiten und mobilen Anwendungen anzuwenden haben.
  • Saarland
    Das Saarland hat die Anforderungen des BGG übernommen und weist auf die in der BITV 2.0 geregelten Standards hin.
  • Sachsen
    Für Sachsen gilt dasselbe wie für das Saarland.
  • Sachsen-Anhalt
    Öffentliche Stellen sollen vermehrt Infos in LS bereitstellen. Ansonsten: Texte sind lesbar und verständlich zu gestalten. Für alle Inhalte ist die klarste und einfachste Sprache zu verwenden, die angemessen ist. Ansonsten wird auf die europäische Norm EN 301549 für digitale Barrierefreiheit hingewiesen.
  • Schleswig-Holstein
    Das Bundesland sieht nur vor, dass öffentliche Stellen vermehrt Informationen in Leichter Sprache bereitstellen sollen, soweit sie nicht unverhältnismäßig belastet werden. Außerdem wird auf die Standards der BITV 2.0 hingewiesen.
  • Thüringen
    Thüringen hat die Vorgaben des BGG im Hinblick auf Leichte Sprache nicht umgesetzt, verweist aber auf die Standards gemäß BITV 2.0.

Fazit

Es ist also ein unübersichtlicher Flickenteppich an geltenden Gesetzen und Verordnungen herausgekommen. Für Laien wie mich ist kaum zu durchschauen, was genau wo gilt. Einige Inspirationen habe ich von der Seite des hochgeschätzten Jan Hellbusch entnommen, der auch schon mal eine detailreiche Aufstellung gemacht hat. Sie finden sie hier.

Gerne hätte ich an dieser Stelle 16 tolle und umfangreiche rechtliche Umsetzungen zum Thema Barrierefreiheit und Leichte Sprache vermeldet, aber das hat die Politik verhindert. Leider. Ich bleibe dran. Nächstes Jahr gibt es an dieser Stelle wieder einen Blogbeitrag dazu. Hoffentlich mit besseren Ergebnissen.

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