Barrierefreiheit und Leichte Sprache

In letzter Zeit habe ich mich sehr viel damit beschäftigt, wie Barrierefreiheit und Leichte Sprache auf Internetseiten zusammenhängen. Und ich habe gemerkt, dass Web-Agenturen und Web-Grafiker diesem Thema bisher nur wenig Aufmerksamkeit widmen. Dabei ist es so wichtig, dass Webseiten nicht nur Inhalte in Leichter Sprache bereitstellen, sondern auch in anderen Aspekten auf die Bedürfnisse der Zielgruppe Rücksicht nehmen. Inhalte für unsere Zielgruppe der Leichten Sprache müssen nicht nur textlich, sondern auch optisch und strukturell aufbereitet werden.

Inhalte in Leichter Sprache müssen anders aussehen

In meiner Welt als Fremdsprachenübersetzerin ist es immer so, dass das Original beibehalten werden bzw. möglichst getreu nachgebildet werden muss, zum Beispiel bei Urkunden oder Zeugnissen.Das erste jedoch, was ich in Leichter Sprache gelernt habe, ist dies: Das Original kann und darf in Leichter Sprache nicht beibehalten werden. Wir müssen das Original dahingehend verändern, dass die Zielgruppe wichtige Informationen sofort finden und ihren Sinn erfassen kann. Deshalb sehen Leichte-Sprache-Texte für Unwissende ja so merkwürdig aus: große Schrift, viele Bilder, wenig Text.

Auf Internetseiten gilt derselbe Grundsatz: Eine Internetseite in Standardsprache weist so viele Fallstricke für unsere Zielgruppe auf, dass wir einiges daran verändern müssen, soll sie für Leichte Sprache geeignet sein. Und hier beginnt das Problem. Zwar gibt es feste Regeln für Barrierefreiheit auf Internetseiten. Die sind in der BITV 2.0 sogar gesetzlich geregelt und die Kriterien werden ja mittlerweile bereits von vielen Agenturen und Webseitenanbietern umgesetzt. Aber Leichte Sprache braucht weitere Unterstützung. Zum Beispiel:

Leserliche Schrift

Manche Widgets bieten explizit eine “leserliche Schrift” an. Dabei handelt es sich meist um Open Dylexic, ein Font, der eigens für Menschen mit Lese- Rechtschreibschwäche oder Legasthenie entwickelt wurde. Diese Menschen verwechseln häufig Buchstaben wie “b” und “d” zum Beispiel. Menschen mit Lernschwierigkeiten oder anderen Einschränkungen hingegen finden diese angeblich leserliche Schrift jedoch tatsächlich sehr schwer zu lesen. Open Dyslexic gestaltet die einzelnen Buchstaben individuell, um Verwechslungen zu vermeiden. Unsere Zielgruppe aber verwirrt die Schrift, denn die Buchstaben sehen nicht so aus wie gewohnt. Es fehlt der Wiedererkennungseffekt. Wo Dyslexic also auf der einen Seite Inklusion schafft, grenzt sie auf der anderen wiederum eine Personengruppe aus. Also gilt es hier einen guten Kompromiss zu finden, mit denen beide Welten zufrieden sein können. Das ist schwer, wäre aber gerecht.

Farben

Nicht jedes Corporate Design ist für Leichte Sprache geeignet. Kürzlich hatte ich eine Anfrage von der DLRG. Ihre gelben Großbuchstaben erscheinen auf rotem Grund. Farblich ein Disaster für unsere Zielgruppe, aber daran lässt sich meist nichts ändern. Dennoch sollten Sie immer einen guten Kompromiss anstreben, der auf der einen Seite das Corporate Design widerspiegelt, auf der anderen aber auch die Bedürfnisse von Menschen berücksichtigt, die z. B. Farben schlecht erkennen können, oder bei denen bunte Webseiten neurologische Probleme bis hin zu epileptischen Anfällen verursachen können.

Navigation

Die Navigation ist ein wichtiger Aspekt für unsere Zielgruppe. Da die Einschränkungen oder Schwierigkeiten sehr vielfältiger Art sind, gibt es nicht DIE EINE Lösung. Vielmehr sollte generell darauf geachtet werden, dass die Navigation gut nachvollziehbar ist. Brotkrumenpfade sind hilfreich; klar erkennbare, farblich abgesetzte und ausreichend große Schaltflächen erleichtern die Bedienung der Seite; ein gut sichtbarer Zurück-Button unterstützt Anwender dabei, sich besser zu orientieren.

Empfehlung

Das sind nur einige Beispiele. Es gibt noch wesentlich mehr zu beachten, um Barrierefreiheit und Leichte Sprache zu vereinen; vieles davon ist nachzulesen im gut gemachten Leitfaden der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Wenn Leichte Sprache auf Internetseiten erfolgreich funktionieren soll, muss also mehr mitgedacht werden als einfach nur eine separate Seite. Es braucht ein separates Template, das auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt ist.

Deshalb:

Berücksichtigen Sie Leichte Sprache von Anfang an, wenn eine Internetseite neu erstellt oder überarbeitet wird. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen haben sich schon wie ich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben Erfahrung und können wichtige Hinweise liefern und dafür sorgen, dass eine neue Internetseite auch in Bezug auf Leichte Sprache gut funktioniert. Bedenken Sie uns von Anfang an mit und binden Sie uns ein in den Aufbau einer neuen Webseite. Ob Sie Ihre Webseite selber gestalten oder eine Web-Agentur beauftragen: Wir begleiten Sie durch das Projekt.

Wir sind Bindeglied, Mediator, Vermittler. Wir wandern zwischen der Welt der normativen Sprache und der Welt der Leichten Sprache. Wir kennen beide Seiten und können wichtige Impulse geben, was über die Kriterien der Barrierefreiheit hinaus getan werden kann, um Menschen aus der Zielgruppe abzuholen. Barrierefreiheit und Leichte Sprache gehören zusammen. Auch auf Webseiten.

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