Arbeitslohn für Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen schaffen aufgrund ihrer speziellen Situation häufig nicht die Regelschule. Da aber in Deutschland ein regulärer Schulabschluss Voraussetzung für eine Berufsausbildung ist, gibt es für diese Menschen kein entsprechendes Angebot. Die zumeist einzige Option für sie ist die Arbeit in einer Werktstatt für Menschen mit Behinderungen. Dort arbeiten sie häufig in der Produktion von Zulieferteilen für Wirtschaftsunternehmen, d. h. sie tragen mit ihrer Arbeitsleistung durchaus zur Wirtschaft bei, erhalten aber im Vergleich einen geringeren Arbeitslohn.

Mindestlohn versus Werktstattlohn

Während der Mindestlohn vor Kurzem auf 12 Euro die Stunde angehoben wurde, erhält eine Werkstatt-Beschäftigte durchschnittlich einen Arbeitslohn von etwas mehr als 200 Euro im Monat bei durchschnittlich ca. 26 Wochenstunden. Davon kann man nicht autark leben. Deshalb erhalten Menschen mit Behinderungen staatliche HIlfe zum Lebensunterhalt.

Es gibt Kritik an diesem System. Manche Interessenvertreter sprechen daher davon, dass Menschen mit Behinderungen ausgebeutet werden. Der vorherrschende Gedanke sei, dass Menschen mit Behinderungen “versorgt” werden müssen. Dadurch werden sie aber an Partizipation und Selbstbestimmung gehindert. Dies sei schon lange nicht mehr zeitgemäß.

Die finanzielle und soziale Situation von Menschen mit Behinderung

Es gibt einen EU-Beschluss, der besagt, dass Menschen in der Lage sein müssen, von ihrer Arbeit zu leben. Menschen mit Behinderungen sind hiervon aber ausgenommen. Klar, sie erwirtschaften sicherlich weniger als Menschen ohne Behinderung und klar, es müssen für sie andere Regeln gelten. Sie dürfen nicht so sehr an ihrer Leistung bemessen werden wie Menschen ohne Einschränkungen, und klar, sie benötigen auch mehr Zuwendung und Unterstützung. Wir können ihre Arbeitsleistung also nicht mit der auf dem ersten Arbeitsmarkt vergleichen

Eigentlich haben Werkstätten den Auftrag, diese Menschen für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Ziel sollte sein, Menschen mit Behinderungen über die Bundesagentur für Arbeit in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Doch im Jahr 2019 schafften lediglich 0,35 Prozent den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt.

Die meisten Werkstattbeschäftigten sind selber auch unzufrieden mit ihrer Situation. Viele würden gerne in den ersten Arbeitsmarkt wechseln, um eigenständiger leben und sich beweisen zu können. Jedoch längst nicht jeder Arbeitgeber sieht sich personell und finanziell in der Lage, auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen eingehen zu können.

Menschen mit Behinderungen dürfen nichts hinzuverdienen

Ein weiteres, grundsätzliches Problem, das gerade mich und alle diejenigen betrifft, die mit Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten ist die Tatsache, dass sie nichts hinzuverdienen dürfen. Aber gerade im Bereich der Leichten Sprache sind uns diese Menschen wichtige Ratgeber: Sie prüfen unsere Texte auf Verständlichkeit; sie prüfen Illustrationen, Grafiken, Museumstexte und was immer anfällt und geben uns Rückmeldung, ob sie den Inhalt gut verstanden haben. Häufig erhalten wir wertvolle Tipps, was wir besser machen können. Auch bekommen wir von ihnen wichtige Hinweise, wo es im öffentlichen Raum für sie nicht gut läuft. All das hilft uns Übersetzern und Übersetzerinnen für Leichte Sprache unsere Angebote noch barrierefreier, noch inklusiver zu machen. (Wie das mit dem Prüfen im Detail funktioniert, lesen Sie hier.)

Aber: Bislang können wir diese wichtige Prüf- und Beratungstätigkeit nicht honorieren. Wie bei Beziehern von Sozialleistungen üblich, wird alles, was über die staatliche Leistung hinaus verdient wird, wieder abgezogen. Das ist ein Problem. Für uns sind sie eine wichtige, ernstzunehmende Gruppe von Beratern in unserer Arbeit, für andere sind sie Menschen mit Behinderungen, die wenig zur Gesellschaft beitragen und in der Öffentlichkeit nicht besonders sichtbar sind.

Mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen

Dabei muss man sich aber auch fragen, warum Menschen mit Behinderungen von der Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen werden. Sie sind häufig einfach nicht sichtbar im Arbeitsleben. Das muss so aber nicht sein. In einem Restaurant in den Niederlanden habe ich erlebt, dass Menschen mit Behinderungen völlig selbstverständlich in der Küche und im Service gearbeitet haben, ohne dass dies in irgendeiner Weise überhaupt thematisiert wurde. Und es hat wunderbar funktioniert (https://keukenvanhackfort.nl).

Wir brauchen also mehr Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderungen, um Vorurteile endlich abzubauen und um ihre Situation zu verbessern. Wir brauchen auch mehr Lohn für die Arbeit, die sie verrichten. Die viel beschworene Inklusion steckt immer noch in den Startlöchern und kommt nicht richtig voran.

Forderung nach Mindestlohn

Es gibt eine Petition. Darin fordert ein junger Mann Olaf Scholz auf, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten den Mindestlohn erhalten. Das ist ein guter Ansatz, und er sollte unterstützt werden. Möchten Sie sich daür einsetzen, dass Menschen mit Behinderung finanziell mehr Wertschätzung entgegengebracht wird? Dann unterschreiben Sie hier.

Bildquellen