Eine gute Übersetzung in Leichte Sprache: Das Wort

Im zweiten Teil meiner kleinen Blogreihe zu den Regeln der Leichten Sprache geht es um die Wortebene. Beim letzten Mal habe ich darüber geschrieben, wie wichtig die Textebene für eine gute Übersetzung in Leichte Sprache ist.

Auf der Wortebene prüfst du: Welche Wörter und Begriffe sind zu schwer? Gibt es ein leichteres Synonym? Oder ist der schwere Begriff unbedingt erforderlich für das Verständnis? Dann musst du dir eine griffige – und leichte – Erklärung ausdenken. Wie gehst du mit Eigennamen um? Hast du besonders lange Wörter im Text, für die du keine besseren Begriffe finden kannst? Wie kannst du sie so gliedern, dass der Lesefluss erhalten bleibt? Wie gehst du mit Abkürzungen um? Und was ist mit Gendern? Für eine gute Übersetzung in Leichte Sprache musst du all diese Dinge klären. Hier gehe ich auf ein paar wichtige Aspekte ein.

Kurze, bekannte, eindeutige Wörter

Benutze Wörter, die oft im Alltag vorkommen. Und benutze immer dieselbe Bezeichnung: Ein Hund ist ein Hund ist ein Hund. Ein Hund ist nicht abwechselnd, Boxermischling, Haustier, Freund des Menschen oder Vierbeiner. Klarheit sticht sprachliche Vielfalt. Außerdem muss das Wort präzise sein. Und natürlich eindeutig. Alles, was mehrdeutig oder abstrakt ist, solltest du nicht verwenden. Und das betrifft mehr Begriffe als man anfangs denken könnte. Denk einmal über Begriffe wie Karte, Schloss, Anhänger, Ball oder Decke nach. Sie haben je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen. Wir kennen das noch von früher vom Teekesselchen-Spiel.

Eigennamen jedoch bleiben immer erhalten. Ganz egal, wie lang oder schwierig sie sind. Auch die individuelle Schreibweise muss bleiben. Das gilt insbesondere für Markennamen wie „EnBW Energie Baden-Württemberg AG“ oder „C&A“. Ist der Name ganz besonders wichtig für den Text, solltest du ihn zunächst erklären.

Metaphern, Redewendungen und abstrakte Begriffe meiden

Wir lesen so häufig in unserem Alltag Metaphern, dass sie uns vermutlich gar nicht mehr auffallen. Aber in Leichter Sprache sind sie tabu. Die Gefahr, dass die Metapher wörtlich genommen wird, ist zu groß. Metaphern sind zum Beispiel Sätze wie „Der ständige Regen drückt mir aufs Gemüt.“ Das Verb „drücken“ ist hier metaphorisch gemeint und nicht wörtlich. Andere Beispiele sind „Ich habe einen Ohrwurm“ oder „Ich gehe vor Wut an die Decke“. Hier klärst du erst, was mit der Metapher genau gemeint ist und schreibst diese Info ohne Umschweife auf: „Der Regen macht mich traurig“, „Ich muss immer an das Lied denken“ oder „Ich bin total wütend“.

Für Redewendungen gilt genau dasselbe: „Die Kuh vom Eis holen“ heißt in Leichter Sprache „das Problem lösen“, der „Frosch im Hals“ heißt „Ich muss husten“ und „Da steppt der Bär“ heißt „Da ist sehr viel los“.

Abstrakte Begriffe wie Infrastruktur, Respekt, Schadenfreude, Medienkompetenz, Investitionsstau sind für eine gute Übersetzung in Leichte Sprache tabu. Sie stehen für ein bestimmtes Konstrukt und müssen genau erläutert werden. Solche abstrakten Begriffe sind für die Zielgruppe wie Fremdwörter: Meist kann man sich wenig darunter vorstellen. Deshalb brauchen sie eine genaue Erklärung. Auch hier musst du sorgfältig arbeiten. Es ist nicht zu unterschätzen, wie wichtig es ist, den Begriff genau zu definieren. Manchmal muss man dafür beim Auftraggeber nachfragen, was darunter zu verstehen ist, wenn es sich nicht aus dem Kontext ergibt. Meint der Spediteur mit „Infrastruktur“ vielleicht seine IT, also Server, Computer und das Internet, seine Fahrzeugflotte oder doch Bahn und Schiene? Scheue dich nicht, Rücksprache zu halten; das ist wichtig für deine Zielgruppe. Du bist die Person, die für sie Fragen klärt und Unklarheiten beseitigt.

Fremdwörter und Fachbegriffe

Ganz klar: Fremdwörter vermeidest du und wählst an ihrer Stelle ein geläufigeres Wort aus. Manchmal ist das ganz einfach (Blutdruck statt Hypertonie, träge statt phlegmatisch, städtisch statt urban usw.) Und manchmal ist es ganz schön verzwickt. Dann lässt sich nicht einfach ein synonymer Begriff finden, sondern möglicherweise braucht du einen oder mehrere Sätze für die Erklärung, zum Beispiel beim Begriff „Utopie“. Du kannst schreiben: „Utopie ist ein fremdes Wort. Es heißt: Etwas ist nur eine schöne Idee. Die Idee wird vielleicht nie Wirklichkeit.“ Und das erläuterst du dann noch mit einem Beispiel.

Fachbegriffe sind unter gewissen Umständen auch zu vermeiden. Oft kann es sein, dass sie für das Verständnis benötigt werden. Das kann der Fall sein, wenn eine Krankheit erklärt wird und die Patientin sich mit bestimmten Begriffen vertraut machen muss, weil sie vermutlich öfter damit konfrontiert werden wird. Ein Beispiel wäre der Begriff „Ultraschall“. Hier hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst erst den Begriff erwähnen und dann erklären, oder anders herum. Meist ergibt es sich aus dem Kontext, wie du vorgehen kannst. Ansonsten ist es meist besonders hilfreich, erst den Fachbegriff zu nennen und dann die Erklärung zu liefern.

Lange und komplexe Wörter aufgliedern

Hier kommen wir an einen wichtigen Punkt, der auch die beiden Regelwerke voneinander unterscheidet. Darüber habe ich auch schon ausführlich berichtet. Ganz kurz zusammengefasst: Das Netzwerk Leichte Sprache verwendet den Bindestrich; die Forschungsstelle Leichte Sprache der Uni Hildesheim den Mediopunkt. Die Vor- und Nachteile der beiden Methoden kannst du hier ausführlich nachlesen. In jedem Fall solltest du lange und komplexe Wörter so gliedern, dass man die einzelnen Wortbestandteile gut erkennen kann. Außerdem darf es durch die Gliederung nicht zu falschen Schreibweisen kommen.

Richtig aufgegliedert geht es so: Bindestrich immer nur zwischen zwei Substantive, wobei das erste Substantiv in seiner Grundform (Nominativ) stehen soll und die Getrenntschreibung nicht zu falschen Assoziationen führt. Also: Termin-Kalender: ein Kalender für Termine. Lebensmittel-Tabelle: eine Tabelle mit Lebensmitteln. Aber nicht Bundes-Kanzler, denn „Bundes“ ist keine Grundform. Auch nicht Milch-Straße, denn die beiden Wörter, einzeln betrachtet, bedeuten etwas ganz anderes als die zusammengesetzte Form.

Eine qualitativ gute Übersetzung in Leichte Sprache geht besonders mit diesem Thema verantwortungsvoll um und erzeugt KEIN falsches Deutsch!

Keine Pronomen

Der letzte Punkt auf der Wortebene, den ich hier anführen möchte, ist das Thema Pronomen. Pronomen beziehen sich auf zuvor benannte Personen, Tiere oder Gegenstände. Oder anders gesagt: Sie lauten „ich, du/Sie, er, sie, es, wir, ihr/Sie, sie“.

Pronomen verwenden wir grundsätzlich nicht, weil sie immer in einem Folgesatz auftauchen, der sich auf eine vorherige Information bezieht. Das kann zu Unklarheiten führen. Also greifen wir immer die ursprüngliche Bezeichnung wieder auf. Ein Beispiel: „Paul schickt Luis einen Brief. Er ist ziemlich schwer.“ Das Pronomen „er“ kann sich grammatikalisch auf Paul, Luis oder den Brief beziehen. Also greifen wir den ersten BEgriff wieder auf und schaffen Klarheit: „Paul schickt Luis einen Brief. Der Brief ist ziemlich schwer.“ Ich denke, das Prinzip ist klar.

Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Die höfliche Anrede „Sie“. Die darf natürlich verwendet werden.

Anwendung der Wortebene

Die Analyse der Wortebene empfehle ich immer in einem zweiten Schritt nach der Textebene. Wir sind also immer noch bei der Vorbereitung der Übersetzung. Diese Arbeit sollte sehr gründlich vorgenommen werden. Dann geht es nachher mit der Übersetzung umso schneller.

Also, nachdem du deine Textauswahl getroffen und eine gute Struktur überlegt hast, gehst du den Text erneut durch und untersuchst ihn auf die Begriffe, die du austauschen oder behalten und erklären musst. Du schreibst in diesem Schritt möglichst auch schon die Erklärung der Begriffe.

Bist du mit diesem Durchgang fertig, dann hast du einen Ausgangstext, der auf Text- und Wortebene bearbeitet wurde. Im nächsten Schritt folgt die Satzebene. Dazu mehr beim nächsten Mal.