Eine beispielhafte Übersetzung in Leichte Sprache: Von der Idee zur Umsetzung

Die Idee

Am Anfang stand die Idee: Die Kundin, Datenschutzreferentin in einer weit verzweigten Organisation, die sich um Menschen mit allen möglichen sozialen Belangen kümmert, wollte Datenschutzinfos für diese Klienten in Leichte Sprache übersetzen lassen.

Das Problem: Zwar ist sie zentral für das Thema Datenschutz zuständig, aber die zahlreichen Einrichtungen und Standorte haben alle ihre eigenen, auf ihre Tätigkeit zugeschnittenen Infoblätter, die sie an ihre Klienten herausgeben. Der Kundin war wichtig, dass die Klienten, die häufig ein niedriges Bildungsniveau haben oder nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind, auch wirklich verstehen, worum es geht. Deshalb also eine Übersetzung in Leichte Sprache.

Aber: Die eine Einrichtung benötigt Datenschutzinfos, die sich auf die Beratung beziehen; die andere benötigt diese Infos für das ambulant betreute Wohnen. Eine weitere Einrichtung betreibt eine Werkstatt und benötigt die Datenschutzinfos in Bezug auf die Beschäftigung dort, während wiederum andere Einrichtungen sich mit der Eingliederungshilfe oder mit Maßnahmen zur Heranführung von jungen Erwachsenen an den ersten Arbeitsmarkt beschäftigen. Dennoch sollte es ein zentrales Dokument in Leichter Sprache geben, das alle Bereiche abdeckt und flächendeckend in allen Einrichtungen verwendet werden kann.

Dazu erhielt ich eine Reihe von Ausgangstexten, die sich inhaltlich teilweise überschnitten, ansonsten aber spezifisch auf die jeweilige Einrichtung zugeschnitten waren. Viele Infos waren unvollständig, weil es schlicht nicht möglich war, die verwendeten Datenschutzinfos von allen beteiligten Stellen zu erhalten. Oft las ich den Zusatz “Weitere Empfänger ergänzen bzw. Nichtzutreffendes streichen”. Und daraus sollte nun ein einziges zentrales Dokument in Leichter Sprache werden, das alle Situationen abdeckt und das alle Einrichtungen gleichermaßen verwenden konnten.

Ein erstes Konzept

Keine ganz leichte Aufgabe. Eigentlich ist es sehr häufig so, dass Kunden, die zu mir finden, nicht ganz genau wissen, was sie brauchen. Sie sind in der Regel immer sehr dankbar für eine ausführliche Beratung, die ich gerne leiste. In diesem Fall fiel mir eine adhoc-Beratung allerdings auch schwer. Auf Anhieb wusste ich selber nicht genau, wie ich das Spannungsfeld zwischen “allen gerecht werden” und “möglichst wenig Text” auflösen sollte.

Ich dachte, dass ich eine möglichst pragmatische Lösung brauche. Ursprünglich hatte ich ein formatiertes Word-Formular vor Augen, das den jeweiligen Einrichtungen die Wahlmöglichkeit gibt, das herauszulöschen, was auf sie nicht zutrifft. Schnell stellte sich heraus, dass dies nicht praktikabel sein würde, denn dazu wäre es erforderlich, dass sich jemand in der Einrichtung mit dem Dokument beschäftigt und die richtige Vorauswahl für den Klienten trifft. Aus meiner Erfahrung heraus ist es doch eher so, dass uns jemand ein vielfach kopiertes Blatt vorgelegt, Stift daneben, bitte unterschreiben, fertig. Also war klar, dass dieses Vorgehen den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen vor Ort nicht zuzumuten sei. Auch birgt es große Fehlerrisiken, weil möglicherweise aufgrund von Zeitknappheit (oder einfach aus Desinteresse) nicht die richtige Vorauswahl getroffen wird.

Ein zweites Problem, das ich sah: Selbst bei sorgfältiger Formular-Formatierung kann es passieren, dass sich die Seiten verschieben, weil jemand falsche Stellen herauslöscht. Das könnte dazu führen, dass die spezielle Formatierung für Leichte Sprache nicht mehr gewährleistet werden kann. Es wäre z. B. möglich, dass sich eine Frage über zwei Seiten erstreckt. Das musste ich natürlich vermeiden. Ein Formular schied also aus.

Ein zweites Konzept

Also musste ich umdenken. Um einen neuen Ansatz zu finden, ließ ich den Pragmatismus beiseite und orientierte mich strikt am Regelwerk für Leichte Sprache. Ich ließ mich davon leiten, dass wir in Leichter Sprache bestmöglich die Lebensrealität der Lesenden abbilden, die Textinfos darauf abstellen und mit konkreten Beispielen arbeiten. Und auf einmal schälte sich ein Gedanke ganz klar heraus. Es gibt eine Zweiteilung: Auf der einen Seite die Datenschutzinfos, die sich teilweise überschneiden und sich gut bündeln und auf den Punkt bringen lassen. Und auf der anderen Seite haben wir die individuellen Lebenssituationen derjenigen, für die die Datenschutzinfos gelten. Diese fallen je nach Einrichtung und Standort der Organisation ganz unterschiedlich aus. Diese verschiedenen Lebenssituationen musste ich alle darstellen, damit sich am Ende jede Einrichtung mit ihrer Tätigkeit im Text wiederfand.

Und so hat es dann funktioniert. Der Text entstand zügig; alle Lebenssituationen der Lesenden konnten abgebildet oder exemplarisch dargestellt werden. Einzig der Name der jeweiligen Einrichtung muss individuell ergänzt werden. Dazu habe ich auf der letzten Seite ein Feld eingefügt, in den die Einrichtung ihren Stempel setzt.

Am Ende konnte ich den gesamten Datenschutztext in sieben Kapitel gliedern. Daraus ergab sich die Notwendigkeit eines Inhaltsverzeichnisses, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Zum Text suchte ich passende Illustrationen der Lebenshilfe Bremen aus, wie vorher mit der Kundin abgesprochen. Und am Ende kam ich auf elf Seiten Text mit Bildern. Eine Person mit Lernschwierigkeiten hat den Text auf Verständlichkeit hin geprüft und für gut befunden.

Die praktische Umsetzung

Soweit die textliche Gestaltung. Aber wie sollte ich die Infos optisch so aufbereiten, dass sie auch relevant und lesenswert erscheinen? Statt ausgedruckter Kopien stellte ich mir eine gebundene Broschüre vor. Diese könnte man dem Klienten mit nach Hause geben. Außerdem sollte sie Interesse wecken, sie zu lesen. Das war im ursprünglichen Budget aber nicht vorgesehen. Also habe ich der Kundin meine Idee erläutert und dafür geworben, über Mehrkosten für eine Druckvorlage nachzudenken. Ich nahm Kontakt zu einer Grafikdesignerin auf, holte ein Angebot ein. Die Kundin mochte die Idee, stimmte nach kurzer Abstimmung zu und der Text ging an die Grafikdesignerin. Die erstellte im Nu eine Druckvorlage unter Berücksichtigung des Corporate Designs der Organisation, und dann war das Werk vollendet.

Am Anfang stand also die vage Idee: Wir brauchen alle möglichen Datenschutzinfos in Leichter Sprache für alle möglichen Situationen. Und am Ende der Reise stand eine ansprechend gestaltete Broschüre für die Zielgruppe der Leichten Sprache. Auch ich wusste anfangs nicht, dass wir am Ende eine Broschüre in den Händen halten würden. Diese Entwicklung hat sich einfach während des Übersetzungsprozesses ergeben. Aus meiner Sicht ein sehr gelungenes Projekt, das mir sehr viel Freude bereitet hat. Und wieder einmal habe ich eine Menge dazugelernt.

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